Die Schlagkraft von Print auf einen Blick
- Versuchen Sie nicht, sechs verschiedene Botschaften in einer Printanzeige zu transportieren – sonst schaltet Ihr Publikum ab
- Analoge Lösungen sinnvoll, wenn Sie analoge Produkte emotional aufladen möchten
- Qualitativ hochwertige, ansprechende Printwerbung kann im Netz zum Gesprächsthema werden – im vorliegenden Fall führte sie zu millionenfachen Twitter-Impressions
Wenn man sich die Gewinner der Cannes Lions 2018 zu Gemüte führt, trifft man auf die üblichen Verdächtigen: McDonald’s, Microsoft, Apple und Co. Aber unter diesen Riesen tummeln sich auch kleinere Marken – wie zum Beispiel der Schuhcremehersteller Kiwi oder der deutsche Schreibgerätehersteller Stabilo.
Richtig gute Ideen sprechen eben für sich selbst.
Denn mit seiner Kampagne „Highlight the Remarkable“ machte Stabilo aus schnöder Higlighter-Werbung ein inspirierendes Credo für Frauen in aller Welt – und sprang geschickt auf die gegenwärtige Gleichberechtigungsdebatte auf. Noch dazu heimsten die Heroldsberger Schreiberlinge eine ganze Latte von Preisen ein – von LIA bis hin zu EPICA und Eurobest.
Der Erfolg der Kampagne ist leicht erklärt, meint Vera Ickert, Senior Art Director bei der verantwortlichen Agentur DDB Düsseldorf. „Man nehme ein Thema von gesellschaftlicher Relevanz – eines, das größer ist, als das Produkt. Dann lässt man das Produkt mit dem Thema interagieren. Dabei soll das Produkt das tun, was es am besten kann. Verwandeln Sie das Produkt in ein Mittel, mit dem die Kundschaft sich mit einem höheren Ideal verbinden kann.“
Relevanz ist König (oder Königin)
Die Gleichberechtigung von Mann und Frau ist ein brennenderes Thema denn je, wie man einmal mehr am Internationalen Tag der Frau sah, als diverse Marken Schlange standen, um die anhaltende Diskriminierung zu kasteien. Dabei ist aber die Diskriminierung nur eine Seite der Münze, wie DDB Düsseldorfs Senior Copywriter Teresa Bude sagt. Das Übersehen weiblicher Triumphe ist die andere.
„Wir überlegten uns, wie wir legitim an der Diskussion um die Gleichberechtigung teilnehmen konnten, um einen gehaltvollen Beitrag zu ihr zu leisten. Allzuoft wurden Frauen in vergangenen Epochen überschattet – ihre Arbeit und ihre Leistungen ignoriert. Daher wurden sie auch nie Teil unseres gesellschaftlichen Bewusstseins – ganz im Gegensatz zu ihren männlichen Kollegen. Wir wollten diesen Frauen und ihren Geschichten die Anerkennung zollen, die sie verdienen. Und das taten wir, indem wir sie im wahrsten Sinne des Wortes highlighteten – mit einem Stabilo Boss.“
Die ansprechende Printwerberkampagne besteht aus seiner Reihe historischer schwarz-weiß Fotografien.
Diese Gruppenbilder bestehen zum überwältigenden Teil aus Männern – die entweder den Vordergrund oder die Mitte der Bilder einnehmen. Doch eine simple neongelbe Markierung lenkt die Aufmerksamkeit auf die übersehenen, bemerkenswerten Frauen, die sich in jeder Aufnahme verbergen: die NASA-Mathematikerin Katherine Johnson, die US First Lady Edith Wilson und die österreichisch-schwedische Physikerin Lise Meitner.
Die Produktstory erzählen
Highlighter werden benutzt, um wichtige Elemente hervorzuheben, nicht wahr? Dabei handelt es sich normalerweise um Wörter oder Textpassagen. Jedermann – und jedefrau – kennt die Funktion dieser Stifte, wenn auch nur aus der Schulzeit, so Ickert.
„Für unseren Kunden Stabilo wollten wir diesen praktischen Vorteil mit einem emotionalen verbinden, um auf einer höheren Ebene zu kommunizieren. Wir wollten Haltung zeigen – und dabei ein Ziel verfolgen.“
So verheiratete das attraktive Printwerbungs-Creative Bilder, die auf intelligente Weise die fortwährende Gender-Diskussion ansprachen mit einer Copyline – „Highlight the Remarkable“ – die voll auf den Produktnutzen einzahlte. Dabei war es gerade das Zusammenspiel dieser Elemente, das die Kampagne so schlagkräftig machte.
„Highlight the Remarkable“ katapultierte die Produktbotschaft in das öffentliche Bewusstsein und veranlasste Internet-User dazu, die Werbung auf ihren sozialen Netzwerken zu teilen und zu diskutieren. Manch eine sah sich sogar dazu inspiriert, weitere bemerkenswerte unbemerkte Frauen zu highlighten.
Die Kampagne verzeichnete sage und schreibe 15 Millionen Twitter-Impressions – und eine Interaction Rate von 27%. Insgesamt wurde Stabilo 97,4% öfter erwähnt, als dies vor der Kampagne der Fall war. Noch erstaunlicher ist, dass diese Kampagne nicht nur eine kurze virale Spitze hatte, sondern auch in der Phase danach auf zahlreichen Online-Kanälen extrem relevant geblieben ist – mit mehr als 4100 täglichen Nennungen.
Der richtige Kanal für die richtige Nachricht
Dabei ist es wichtig, dass Marke und Agentur sich dazu entschieden, ihre Geschichte auf Print zu erzählen.
Eine analoge Ausführung war einfach stimmig. Denn der Stabilo Boss wird schließlich genutzt, um zu Papier gebrachte Texte zu markieren.
Gleichzeitig war es ein Hinweis auf die Wichtigkeit der Geschichte, die sie kommunizierten – und das Vertrauen, das sie hierzu benötigten – vor allem in Zeiten, in denen gerade die digitalen Medien sich allzuoft den Vorwurf der „fake news“ gefallen lassen müssen.
Berude resümiert: „Auf die Einfachheit der Kampagne kam es an. Wenn man versucht, sechs verschiedene Botschaften in einer einzigen Printwerbung zu transportieren, verliert man die Aufmerksamkeit des Publikums. Leider vergessen Werber und Marketers das allzuoft.“