- Online-Werbung trägt nicht zur Stärkung von Marken bei, wenn der Print-Anteil fehlt.
- Das Targeting der Online-Werbung führt auch dazu, dass Werbekampagnen kaum noch Gesprächsstoff sind.
- Online kann nicht immer die Reichweitenverluste von Print ausgleichen.
Gefangen im Silo der KPIs

PP: Herr Koch, Sie kritisieren seit Jahren, dass Mediaplaner zu sehr in digitale Kanäle investieren und dabei Print ein wenig in den Aufmerksamkeitsschatten geraten ist. Was meinen Sie, warum das passiert ist?
TK: Das ist ja menschlich durchaus verständlich. Denn als die Mediaagenturen mit digitaler Werbung begonnen haben, waren sie fasziniert davon, nun endlich zu wissen, wie ihre Werbung ankommt, wen sie erreicht. Plötzlich war da ein ganzes Tableau an KPIs, mit denen man spielen konnte. Sich über Print und seine Wirkung zu unterhalten, dazu war gar keine Zeit mehr. Dann kam es zu einer Spezialisierung bei den Mediaplanern: da waren diejenigen, die sich nur mit digitaler Werbung beschäftigen und innerhalb dieser Berater gibt es eine weitere Spezialisierung: diejenigen, die sich nur mit sozialen Netzwerken oder Search beschäftigen. Mein Eindruck ist, dass wir es mit der Digitalisierung ein wenig übertreiben. Denn so viel hat sich an der Nutzung der so genannten alten Medien eigentlich gar nicht geändert. Wir müssen uns nach 25 Jahren auch einmal fragen, welche Werbewirkung wir tatsächlich wollen und tatsächlich kaufen.
PP: Was soll falsch an der Spezialisierung, von der Sie gesprochen haben, so falsch sein?
TK: Sehen Sie sich doch einmal Facebook an: als Mediaplaner kann man da mit dutzenden verschiedenen KPIs spielen, die Facebook einem zur Verfügung stellt. Man kann ganz genau ergründen, welche Facebook-Kampagne gut läuft und welche weniger. Man vergleicht als die Kampagnenwirkung immer nur in dem einen Silo – dass man auch die Werbewirkung von Print oder TV oder Radio in seine Betrachtung integriert, auf die Idee kommt man gar nicht und man hat wahrscheinlich auch gar keine Zeit mehr dafür. Der Mediaplaner ist also ein Stück weit zum professionellen Autismus genötigt. Aber Mediaplaner, die nun so sehr etwa auf Facebook-Werbung setzen, sollten sich schon einmal fragen, warum die großen Online-Ökosysteme wie etwa Facebook bei ihren eigenen Kampagnen immer nur auf traditionelle Medien, Print etwa, setzen. Weil sie wissen: da kriegen sie Reichweite. Weil Online-Werbung halt ganz schlecht für den Reichweitenaufbau ist.
PP: Das feine Targeting wird unter Onlinern immer als große Stärke von Online genannt. Doch was spricht gegen die Filetierung von Zielgruppen?
TK: Natürlich ist das Targeting eine Stärke von Online. Aber was wir heute gerne übersehen, ist der Verlust der Debattenfähigkeit von Werbekampagnen durch die Konzentration auf dieses Targeting. Wenn ich früher Kampagnen in Magazinen, auf Plakaten, im TV, im Radio gemacht habe, konnte sich der Konsument darauf verlassen, dass dieses Plakat, diese Anzeige oder diesen Radiospot nun tausende und abertausende Menschen ebenso sehen oder hören. Kampagnen wurden so zum Gesprächsstoff, fast zu einem Kulturgut. Das ist ein Wert, den Mediaplaner schlecht einpreisen können. Und der ist verloren gegangen durch diese tausenden Mini-Zielgruppen. Individualisierte Werbung macht grundsätzlich erst dann Sinn, wenn ich eine Marke aufgebaut habe. Und Markenaufbau kann ich nur in Print, im TV, im Radio betreiben. Das Problem ist: wir haben leider irgendwie übersehen, an Marken zu arbeiten. Online funktioniert nur, wenn ich Awareness, Vertrauen, Sympathie geschaffen habe über so genannte analoge Kanäle. Marken aber, die ihren Markenaufbau nicht pflegen, machen sich austauschbar.
PP: Onliner behaupten ja gerne, dass digitale Werbung für Marken einfach nötig ist, weil halt gedruckte Medien beinahe überall an Auflage verlieren. Aber kann man Print einfach so durch Online ersetzen und dabei immer noch sein Kommunikationsziel erreichen?
TK: Das ist Teil des Problems, warum Online nicht immer die Lösung ist. Wenn ich davon ausgehe, dass ich in Print Reichweite oder Auflage verliere, dann verliere ich sie höchstwahrscheinlich bei jungen Menschen, weil die Nutzerzahlen in Print bei den älteren Zielgruppen eher stabil bleiben. Doch welches Medium ist in der Lage, den Reichweitenverlust auszugleichen? Da sagen die Onliner dann immer „Money follows eyeballs“. Das stimmt aber nur teilweise. Zwar sind die Eyeballs in den digitalen Medien, aber dort wollen die jungen Menschen keine Werbung sehen. Das widerspricht nämlich ihrem Nutzungsverhalten etwa auf Facebook. Deshalb sind digitale Medien beim Reichweitenaufbau auch so schwach.
PP: Sind die Vermarkter von Print nicht auch selbst ein wenig schuld an der Entwicklung?
TK: Natürlich. Die Printvermarktung hat den Fehler gemacht, nicht mehr zu erklären, wozu Print eigentlich gut ist. Zudem haben es die Digital-Mediaplaner auch etwas leichter, Kompetenz auszustrahlen und damit zu faszinieren. Wenn ein Digital-Mediaplaner zu einem Marketingleiter kommt, dann wird er wahrscheinlich mehr über das Digitale wissen als der Kunde. Deshalb müssen wir wieder mehr an der Wirkung von Print forschen und da auch wieder Wissen aufbauen, um Kunden dafür zu begeistern. Wir werden aber auch in den Mediaagenturen neue Kompetenzträger brauchen, die sich mit Print beschäftigen und ihren Kunden die Vorzüge von Print erklären. Denn eines ist schon klar: wenn die Mediaagentur ihrem Kunden seit 15 Jahren erklärt, dass Print nicht mehr läuft, wird es eher schwierig, die Argumentation nun umzukehren. Wir brauchen also eher Generalisten, die sich der Vorzüge der verschiedenen Media-Kanäle je nach Kampagne bewusst sind und das Gesamtsystem begreifen.
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