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18 . 04 . 18

10 schonungslose Weisheiten von Juan Senõr

Worte von: Print Power
Sie glauben, die Printdebatte durchschaut zu haben? Der Moderator des Cannes Lions Festival of Creativity ist da anderer Meinung ...
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Print Power auf einen Blick

  • Von der Auflagenzahl bis zur Frequenz – warum wir nicht ewig auf demselben Thema herumreiten sollten.
  • Print braucht eine Neuausrichtung als Premium-Option – und das zu einem exklusiven Preis.
  • Verfallen Sie nicht dem digitalen Rausch – Print ist das Gegenmittel für Fake News und Betrug.

Ist Print tot? Nein. Ist die Werbewelt immer noch von der Digitalisierung geblendet? Absolut. Hat das Duopol Google/Facebook Bestand? Ich glaube nicht.

Print-Prediger, Präsident von INNOVATION Media Consulting – dem führenden globalen Medienberatungsunternehmen mit Sitz in London – und Moderator der Cannes Lions, Juan Senõr, spricht schonungslos über Disruption, Verdrängung und „gewaltigem Betrug“ in der Welt der Printmedien von gestern, heute und morgen. Schnallen Sie sich an.

  1. Print ist tot? Alles nur ein Märchen ...

Wenn neue Technologien entstehen, erfinden wir gerne Märchen (erinnern Sie sich noch an die papierlosen Büros aus den 80er Jahren?) – wie auch die Geschichte vom Tod der Printmedien. Sie sind es nicht!

Die Vorstellung, dass ein Medium ein anderes auslöscht, ist einfach nicht wahr. Zugegeben, manche Vertriebsplattformen sterben aus: der Telegraph, das Faxgerät ... und vielleicht bald sogar bestimmte Formen der Telefonie.

Und wenn Print eine Plattform wäre, würde ich sagen: „Ja, Print ist tot. Ruhe in Frieden.“ Weil es da keine Sprache gibt – kein Medium. Es ist nur eine Vertriebsplattform. Leider verwechseln viele von uns die beiden.

Aber Print als Mediumhat Bestand. Auf ewig.

  1. Print findet seinen Platz – wenn das Digitale seine eigene Sprache entdeckt

Als vor vielen Jahren Filme auf den Markt kamen, war die Rede davon, dass das Theater sterben würde. Was wir aber wirklich sahen, war ein Übergang durch Disruption.

Die ersten Filme waren eigentlich Aufnahmen von Shakespeare-Stücken. Die ersten Nachrichtensendungen waren wirklich nicht anders als im Radio – denken Sie an Edward R. Murrow, wie er am Set eine Zigarette raucht.

Oft greifen wir auf eine Art „Skeuomorphismus“ zurück, indem wir die Sprache eines alten Mediums in ein neues übersetzen. Das haben wir im Laufe der Geschichte immer wieder erlebt – und seit 25 Jahren mehr und mehr in der digitalen Welt. 

Das gilt auch für den Print: Wir haben dieses überaus erfolgreiche, textbasierte Medium online gebracht – und wenn die digitalen Medien endlich ihre eigene Sprache finden, wird Print in diesem Mix seine Zukunft wiederfinden.

  1. Verdrängung schlägt Ersatz

Zuerst kommt die Disruption, dann die Verdrängung. Das sieht man schon beim Internet, das in den Zeitungsbereich eingezogen ist. Und mit Zeitungen, die in den Zeitschriftenbereich eingezogen sind.

Schauen Sie sich die internationale Ausgabe der New York Times an, die in Bezug auf Inhalt und Format eher einem täglichen Magazin gleicht.

Tatsache ist, man kann nicht ewig auf demselben Thema herumreiten und sein Produkt nicht neu erfinden.

Die Modemagazine von heute beschweren sich darüber, dass sie dicht machen müssen. Nun, natürlich müssen sie das. Ihr traditionelles Printangebot hat sich nicht weiterentwickelt – und ehrlich gesagt, ich brauche sie auch nicht mehr, da sie jetzt ja auch online sind.

  1. Premium bedeutet teurer

Innerhalb der Printwelt gibt es den Wettstreit, immer exklusiver zu werden. 

Nehmen Sie Versace. Versace produziert nur sehr wenige Kleider in einer Preisklasse von 100.000 bis 125.000 Euro. Dennoch bleiben sie das Hauptprodukt. Aber wenn sie nicht diese Investition in Haute Couture nicht machen, diese magischen Kleider für den roten Teppich, können Sie den Rest Ihres Unternehmens nicht aufbauen.

Print muss als Premium-Option neu erfunden werden, um „Reißbarkeit“ und ein ansprechendes Design in einem größeren Format zu haben; und um ein Erinnerungsstück zu sein.

Und wenn man es erstklassig macht, muss es teurer sein. Wir rechnen mit einem Vielfachen dessen, was es jetzt kostet. Um es anders auszudrücken: Wenn man ein Segelboot im Zeitalter des Motors haben will, muss man dafür bezahlen, richtig?  

  1. Flache Zahlen sind die Zukunft

Alle reden über den Rückgang der Druckauflagen.

Und, ja, sie werden zurückgehen. Wer das nicht wahr haben will, wer noch immer am goldenen Zeitalter der Massenauflagen und des Massenverkaufs festhält, ist entweder naiv oder nostalgisch – und weiß nicht, wie man Print profitabel neu positioniert.

Aber es wird nicht das Ende sein. Letztendlich werden die Auflagen auf einem stabilen, aber dennoch lukrativen Niveau abflachen.

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  1. Weniger häufig, mehr „zurücklehnen“

Das große, komplizierte und sich ständig weiterentwickelnde Thema, insbesondere für Zeitungen, ist die Erscheinungsfrequenz.

Nehmen wir die Financial Times Weekend. Sie ist ein wunderbares Qualitätsprodukt, das perfekt für den Druck geeignet ist. Sie wird am Freitag geliefert, und Sie verbringen das ganze Wochenende damit, sie zu lesen. Man trennt sich nicht einfach von dem erfolgreichen Magazin How To Spend It . Ich wäre nicht im Geringsten überrascht wenn die FT ihre Montag-bis-Donnerstag-Ausgaben eines Tages vollständig einstellen würde.

Man hört heutzutage sehr viel von der „Lean-Back-Perspektive“. Und das klingt nach der Art und Weise, wie Print gehandhabt werden sollte. Aber wenn man Erfolg haben möchte, muss man sicherstellen, dass das, was man anbietet, auch wirklich „lean back“ ist, wie eben die FT Weekend.

7. Markenaufbau? Print ist ein Muss

Es ist nicht gut für Kunden, wenn ihre Marken mit Fake News in Verbindung gebracht werden. Die führenden Stimmen der Branche singen daher ein Loblied auf Print.

Bei der Markenfindung – sei es eine schnelle Handelstransaktion, eine Aufrufaktion oder ein Wochenendrabatt – schlägt Digital Print jedes Mal.

Aber für den Markenaufbau, wenn man ein ganzes Angebot neu auflegt, gibt es wirklich keinen Vergleich. Print gewinnt zweifelsohne.

Digitale Medien besitzen einfach nicht die Beständigkeit, die Zeit oder die Fähigkeit, um die Phantasie anzuregen, weil sie so transaktional sind. Für mich liegt darin die Zukunft der Printwerbung.

8. Der digitale Rausch ist offen gesagt absurd

Wie Sie sicher schon gehört haben, sind Leute wie Martin Sorrell von WPP und Marc Pritchard von P&G sowie viele andere davon überzeugt, dass der fehlgeleitete, massive Wechsel zu digitalen Ausgaben nicht funktioniert. Ich stimme zu. Es ist tatsächlich absurd.

Dieser Kreislauf muss wieder ins Gleichgewicht gebracht werden, denn es ist offensichtlich, dass viele Millionen Euro nichts bewegen. Und sie bewegen nichts, weil es diesen gewaltigen, gewaltigen Betrug gibt. 

Sie können eine Million Menschen erreichen. Aber Sie erreichen eine Million Menschen für eine Viertel-Sekunde – im Gegensatz zu 100.000 für 10 oder vielleicht 20 Sekunden.

9. Print untermauert noch immer viele Werbekampagnen

Wenn es um Preisverleihungen geht – ich sage das nicht nur, weil die traditionellen Kategorien für Print und Publishing umgestaltet werden –, dann ist das Werbeinteresse an diesen Kategorien am Aussterben.

Wir sollten bedenken, dass viele dieser Kampagnen inzwischen integriert sind – und in vielen Fällen ist der Startschuss für eine Kampagne in prestigeträchtigen Printmedien verankert.

Natürlich lässt sich nicht leugnen, dass die Branche vom Volumen geblendet ist. Aber es ist wirklich fragwürdig, was hier los ist. Die Transaktionswährung basiert sehr stark auf Ad Impressions – wobei viele davon Bots in China sind.

10. Sagen wir dem Duopol Google/Facebook den Kampf an

Wir jammern schon viel zu lange über das Google/Facebook-Duopol, ohne zurückzuschlagen. Yahoo! und AOL kamen vor ihnen und schauen Sie nur, wo sie jetzt sind.

Natürlich wird es noch lange dauern, bis ihr Ende kommt. Google und Facebook haben weltweit eine Werbefläche im Wert von 80 Milliarden Euro für sich abgesteckt. Aber ich glaube nicht, dass ihre Langlebigkeit garantiert ist. Sie sind genauso verwundbar wie alle anderen – besonders angesichts der unzähligen aktuellen Forderungen nach einer Umstrukturierung ihrer Geschäftsmodelle. Schauen Sie sich nur die jüngsten Probleme von Facebook an.

Die Printmedien haben bei dieser Entwicklung eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. Und wenn das bedeutet, mehr Kampagnen auf Papier zu verankern, dann sei es so.

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