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Erkenntnisse
01 . 05 . 19

Warum Content Marketing Print braucht

Worte von: Print Power
Content Marketing ist das Gegenmittel zur Werbe-Fatigue der Konsumenten, die gerade in digitalen Medien oft wirkungsmindernd ist. Zuweilen ignoriert, gehört aber Print zum Distributionsmix von inhalte-getriebenem Marketing dazu. Das zeigen Studien – und die erstaunliche Geschichte eines Reifenherstellers.

Auf einen Blick:

  • Content Marketing wird meist mit digitalen Ausspielformen assoziiert. Dabei begann alles mit Print.
  • Print ist im B2B-Bereich als Distributionstechnologie für das Content Marketing wichtiger als soziale Netzwerke wie Twitter oder Xing.
  • Print unterstützt wesentlich beim zentralen Kommunikationsziel von Content Marketing: Image und Reputation.
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Bestraft wird, wer sie zu früh zu erobern versucht. Verschmäht wird, wer sie zu spät entdeckt. Märkte können grausame Diven sein, empfindlich, störrisch, komplex. Wir schreiben das Jahr 1900 und diese Geschichte, sie hat sich in Frankreich zugetragen. Gerade einmal elf Jahre ist es her, dass die Brüder André und Edouard Michelin eine Kautschuk-Produktion in Clermont-Ferrand übernommen hatten. Kaum zwei Jahre später hatte Edouard eine bahnbrechende Erfindung gemacht: den aufblasbaren Fahrradreifen. Die Idee ließen die Brüder patentieren und stiegen schon 1895 in einen Markt ein, der ihnen noch viel verheißungsvoller vorkam als jener der Fahrradreifen: sie entwickelten einen aufblasbaren Autoreifen.

Doch wie schon gesagt: Märkte versperren sich divenhaft jenen, die sich zu früh anschicken, sie zu erobern. Nur wenige Jahre nach dem Einstieg in den Markt für Autoreifen merkten die Brüder, dass sich das Auto als Mobilitätskonzept in Frankreich nur im Kriechgang durchsetzte. Gerade einmal 3.000 Autos gab es zur letzten Jahrhundertwende in Frankreich und das vor allem in den großen Städten. Die Automobilisten von damals, allesamt Oberschicht, liebten zwar ihr fahrbares Statussymbol, nutzten es aber kaum für Überlandfahrten: die Infrastruktur in den ländlichen Gebieten war schlecht, Benzin gab es fast nur in Apotheken, wo sich Raststätten außerhalb der Metropolen befanden, war den Städtern unbekannt. Eine Reise aufs Land, das war eine Expedition. Das war schlecht für die Michelin-Brüder, denn Autos, die nicht gefahren werden, haben auch einen geringen Reifenverschleiß.

Content Marketing beginnt mit Print  

Die Brüder Michelin mussten also etwas tun, das die Franzosen dazu brachte, auch längere Fahrten zu wagen. Sie erfanden: den Guide Michelin, ein Büchlein, das voller nützlicher Tipps für Automobilisten war. Karten fanden sich darin, Angaben zu Raststätten und zu Tank-Möglichkeiten. 35.000 Stück des Guide ließen die Michelin-Brüder drucken und verteilten das Buch kostenlos an Automobilisten. Damit suchten sie die Nachfrage nach Autos, die Sehnsucht nach der großen Fahrt, die Lust auf das automobile Abenteuer, zu beleben. Es gelang. Den Guide Michelin gibt es heute noch. Gedruckt. Und Michelin ist heute einer der Marktführer im Reifen-Business.

Ein Gegengift

Die Brüder Michelin taten aber noch etwas: sie begründeten eine Disziplin, für die es damals noch keinen Namen gab, die aber heute als Einhorn durch die Medienbranche trabt, als Lösung für die Werbe-Fatigue gilt, die viele Konsumenten unaufmerksam für klassische Werbung gemacht hat: Content Marketing. Das Vertrauen in die Wirkung von Content Marketing scheint hoch zu sein. Laut einer gerade erschienenen Umfrage des Fachverlages WEKA Industrie Medien unter 150 Marketing-Verantwortlichen aus dem B2B-Bereich meinen mehr als 75 Prozent der Befragten, Content Marketing würde ihnen einen höheren ROI ihres Marketingbudgets bringen als klassische Marketingmaßnahmen. Content Marketing gilt den Marketingverantwortlichen als Gegengift für Adblocker, Ad Fraud und andere unangenehme Nebenwirkungen digitaler Werbung. Und Marketingverantwortliche wissen auch, was sie mit Content Marketing erreichen wollen: Laut der Studie –deckt den deutschsprachigen Raum ab – ist das wichtigste Ziel, das Marketingverantwortliche mit der Distribution nutzwertiger Inhalte erreichen möchten, Imageaufbau und Reputationssteigerung, gefolgt von Brand Awareness. Monetäre Ziele, also etwa direkte Auswirkungen auf den Umsatz,liegen unter den fünf Antwortmöglichkeiten in der Umfrage erst auf dem letzten Platz.

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Klaus Eck, Photo: M. Henschl

Das zeigt:  Content Marketing liegt eigentlich exakt im Funktionsraster, das Print bieten kann. „Print ist zentral für den Markenaufbau und die Positionierung eines Unternehmens, weil es nachhaltiger und stetiger wirkt als etwa Social Media“, sagt Klaus Eck, Geschäftsführer der Münchner Content Marketing-Agentur D.Tales.

Das sehen Marketing-Verantwortliche ähnlich, wie auch eine Studie des „Content Marketing Forums“aus dem Jahr 2018 deutlich macht: Demnach meinen 83 Prozent der Befragten, dass Print als Träger haptischen Empfindens auch weiterhin eine wesentliche Rolle im Content Marketing spielen wird. Auch die Investitionen in Printprodukte wie etwa Kundenmagazine sind nach wie vor im Steigen begriffen: 3,4 Milliarden Euro haben laut Studie des Content Marketing Forums Unternehmen im deutschsprachigen Raum in gedruckte Inhalte investiert – ein Plus von zehn Prozent gegenüber 2016.

Eines muss der Branche klar sein: Content Marketing in seiner gedruckten Form ist einer der großen Wachstumstreiber und gleichsam Spielfeldfür die Wirkungsmacht von Print.

Klar: Klassischer Help Content ist in digitalen Kanälen gut aufgehoben. Positionierung und Reputation eines Unternehmens aber sind nur nachhaltig, wenn Content über möglichst viele dem Nutzer vertraute Kanäle verteilt wird – und das inhaltliche Umfeld, in dem Content Marketing betrieben wird, auch einkalkuliert wird. „Längerfristige Aufmerksamkeit bekomme ich im Content Marketing durch Print und auch auf die Glaubwürdigkeit zahlt Print ein: hier kann ich die Experten in meinem Unternehmen in einem hochwertigen redaktionellen Umfeld positionieren“, so Klaus Eck. Deshalb rät Eck zu komplementären Maßnahmen, um die Wirkung der digital ausgespielten Inhalte zu verstärken: „Ich kann online beginnen mit dem Content Marketing und wenn ich dann schon etwas Glaubwürdigkeit aufgebaut habe, versuche ich auf das nächste Level zu kommen und diese erarbeitete Glaubwürdigkeit über Printmedien zu festigen.“

Wichtiger als Xing und Twitter 

Marketingverantwortliche sehen das ähnlich. Laut der WEKA-Studie nimmt Print bei der Erreichung der Zielgruppe eine erstaunlich wichtige Rolle ein. Bei der Frage nach den Plattformen und Technologien, die B2B-Marketeers zur Content-Verteilung nutzen, liegt Print unter den zehn Antwortmöglichkeiten auf Platz 5 – noch vor Xing, Twitter oder Instagram.Knapp 56 Prozent der Befragten verwenden Printprodukte zur Verbreitung ihrer Inhalte.Erstaunlich: die gerade sehr gehypten Messenger-Dienste wie etwa WhatsApp liegen als Distributionsplattform für Unternehmensinhalte auf dem zehnten und letzten Platz: nur etwas mehr als zwei Prozent nutzen diese Form der Distribution.

Freilich: Nach einer Umfrage des amerikanischen Content Marketing Instituts (CMI) verzichten zwei Drittel der befragten amerikanischen Marketingexperten darauf, Print in ihre Marketingstrategie einzubeziehen.Doch die Verweigerung vor dem Gedruckten ist kein hinreichender Grund für die Vermutung, dass Gedrucktes nicht zur Erreichung von Kommunikationszielen beitragen könnte. Vielleicht schrecken Marketingverantwortliche vor den Kosten zurück, vielleicht lässt sich scheinbar messbarer digitaler Erfolg besser in Powerpoint-Präsentationen für die Vorstandsetage packen. Don`t shoot the messenger.

Der „Content Shock“

Tatsächlich scheint Print gerade für den Anspruch von Content Marketing und dessen einzigartiger Position im Mix der Marketingmaßnahmen eine geeignete Co-Plattform zum Digitalen zu sein. Viele Unternehmen investieren extrem viel Geld in guten Content. Das macht sich mittlerweile in einem „Content Shock“ bemerkbar: Man kann mit mittelmäßigem Content in dem Strom richtig guter Inhalte zermahlen werden und untergehen. Da nützt es auch nichts, Geld in Facebook-Werbung zu stecken, um die Reichweite zu erhöhen. Damit ich also eine Chance habe, sichtbar zu werden, muss ich zwei Faktoren beherzigen: sehr viel Mühe in die Qualität von exklusivem, teilweise auch nischenmäßigem Content investieren und Markenaufbau zu betreiben“, sagt etwa Klaus Eck.

Vom Katalog zum Kundenmagazin – diesen Weg gehen derzeit viele Unternehmen. Die Drogeriemarktkette „dm“ etwa bringt mit „alverde“ ein Kundenmagazin heraus, das in der Auflage viele deutsche Publikumszeitschriften hinter sich lässt: 1,8 Millionen Stück legt das Unternehmen monatlich in seinen Outlets aus – und setzt dabei inhaltlich auf einen Mix aus Promi-Berichterstattung, Lifestyle und natürlich Produkttipps. Da findet sich etwa ein Interviewmit der deutschen Sängerin Vanessa Mai ebenso wie ein nachdenklicher Beitrag des Philosophen und Ex-Politikers Julian Nida-Rümelin.

Auch zu neuen Bündnissen kommt esdabei: der deutsche Burda-Verlag und der Pharma-Großhändler Noweda starten nun mit „My Life“ ein gemeinsames Magazin für Apothekenkunden, das alle zwei Wochen in einer Auflage von einer Million Exemplaren erscheinen soll. Bezahlen soll das Heft nicht der Kunde, sondern die Apotheker, bei denen es ausliegt.

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Sportlich sind indes die Pläne des Bezahlsenders „Sky“ in Deutschland: der bringt unter dem durchaus passenden Namen „Volle Hütte“ ein Kundenmagazin für die Betreiber der SkySportbars heraus.

„Content Marketing ist im Idealfall das Chamäleon der Marketingwelt: es ist umso erfolgreicher, je mehr es sich seiner Umgebung anpasst.“
Ulbe Jelluma
Geschäftsführer Print Power

Das Chamäleon

Aber da ist noch etwas. Etwas sehr Grundsätzliches. Content Marketing lebt von inhaltlicher Qualität. Je eher ein Kundenmagazin wie eine Kaufzeitschrift anmutet, je näher ein Advertorial seiner inhaltlichen, sprachlichen und gestalterischen Ausprägung der redaktionellen Qualität des Umfelds ähnelt, desto direkter ist der psychologische Wirkungstreffer beim Konsumenten. Meister seines Faches war da natürlich David Ogilvy, der es verstand, seine Advertorials als packende Geschichten zu inszenieren: „Bei 60 Meilen pro Stunde kommt das lauteste Geräusch in diesem Rolls Royce von der Uhr“, titelte er etwa einmal über einem für heutige Verhältnisse langen Text. Und der Bezahlsender Sky warbim Februarfür eine neue TV-Serie mit boulevardesk und gleichzeitig redaktionell anmutenden Sujets in Boulevardblättern, die dem Leser den Weltuntergang in acht Tagen ankündigten. Hier verschmelzen Printwerbung und Content Marketing zu einem wirkungsstarken Paket.Content Marketing ist eben im Idealfall das Chamäleon der Marketingwelt: es ist umso erfolgreicher, je mehr es sich seiner Umgebung anpasst. Wer also seine Inhalte bloß über seine Unternehmenswebsite teilen möchte und Medien meidet, bei denen Konsumenten eine redaktionelle Qualität vermuten, wird mäßig mit Wirkung beschenkt werden.

„Print“, schreibt Joe Pullizi, der weltweit wahrscheinlich gefragteste Experte für Content Marketing, in seinem Buch „Epic Content Marketing“, „ist ein sehr gutes Medium, um mit anspruchsvollen Inhalten die Kunden zu fordern, damit sich diese die richtigen Fragen stellen können.“

1928 gab es in Frankreich übrigens schon rund 1,7 Millionen Autos.