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02 . 07 . 19

Print kennt den Kunden

Worte von: Print Power
Exaktes Targeting funktioniert – ganz ohne Nebenwirkungen für die Brand Safety – auch mit Printmedien. Zwei deutsche Medien-Vermarkter machen es vor – und haben ein erstaunlich präzises System entwickelt, um mit gedruckten Sonderwerbeformen die richtigen Empfänger zu erreichen.
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Auf einen Blick:

  • Gezieltes Targeting und Belegung von Teilauflagen bei Programmzeitschriften verhindert Streuverluste.
  • Ein ausgeklügeltes System selektiert die Empfänger von Sonderwerbemitteln unter den Abonnenten einer Zeitschrift nach demographischen Daten wie auch Produktaffinitäten oder gesellschaftlichen Einstellungen.
  • Print-Targeting erhöht nicht nur die Wirkung von Beilagen, sondern spart Werbekunden auch Geld, weil sie etwa weniger Beilagen produzieren und anliefern müssen.

Wahrscheinlich bedarf es nur der Vergegenwärtigung eines zentralen Gedankens, um zu verstehen, wie Targeting funktionieren kann – und wie es wahrscheinlich nicht funktioniert. Die US-amerikanische Wissenschaftsjournalistin Elizabeth Gardner, für Medien wie „Internet World“, „Internet Retailer“ oder „ClickZ Network“ tätig, formulierte es einmal so: „Es ist schwierig, mit einer Botschaft eine 35jährige berufstätige Mutter zweier Kinder zu erreichen. Wesentlich einfacher dagegen ist es, Jennifer zu erreichen, die zwei Kinder unter vier Jahren hat, auf der Suche nach schnell zubereiteten gesunden Mahlzeiten ist und Wege sucht, mehr Zeit mit ihren Kindern und weniger mit Hausarbeit zu verbringen.“ Soll heißen: je besser es Marketingverantwortliche verstehen, nicht bloß demographische Algorithmen zu bemühen, sondern Affinitäten, Wünsche und Sorgen der Konsumenten zu erfühlen und zu adressieren, desto höher ist die Wirkungsmacht von Targeting.

Dabei war Targeting immer schon eine Tugend gedruckter Medien, noch bevor es zum Wesen digitaler Kampagnen wurde: Gedruckte Medien speisen ihre Legitimation im Werbemarkt aus der Erreichbarkeit bestimmter Zielgruppen – oder sie zielen auf den Nutzwert des Mediums in einer gewissen Lebens – und Lesesituation ab wie es etwas TV-Stationen tun. Und sie tun es auf eine unaufdringliche, daher natürliche Weise: sie verfolgen den Leser nicht mit Werbung entlang des Verlaufs seines Browsers, wahren eine psychologische Distanz, die den Leser unter Umständen empfänglicher für Werbung macht als die Redundanz, die etwa Programmatic Advertising beinahe zwangsläufig mit sich bringt. Auf diese Weise die eigene Brand Safety zu schützen, wird auch für Werber immer wichtiger: bei den Cannes Lions erst haben Werbetreibende, Agenturen und Plattformen eine „Global Alliance for Responsibe Media“ gegründet.

Umfangreiche Recherche

Media Impact, das Vermarktungs-Jointventure von Axel Springer und Funke Medien, hat nun eine eigene Antwort auf den Wunsch der Werbewirtschaft nach verlässlicher Zielgruppenansprache gefunden: seit einiger Zeit bietet die Vermarktungsorganisation für seine TV-Zeitschriften Hörzu und TV Digital ein Tool an, das heißt, was es bringen soll: „Print Targeting“. Dabei ist Targeting, wie es die Hamburger verstehen, ein Prozess, der über mehrere Stationen läuft und sehr detailreich nicht nur demographische Allgemeinplätze wie Alter oder Wohnort einfließen lässt, sondern auch psychologische Details wie die Affinität zum Kauf eines bestimmten Produkts oder die gesellschaftliche Selbstverortung. Zu Beginn wird gemeinsam mit dem Kunden eine Zielgruppe definiert, die auf den Daten der Markt-Media-Studie Best for Planning basiert und von mehreren großen deutschen Medienhäusern realisiert wurde. Best for Planning erfasst etwa die Einstellung der Deutschen zu rund 2.400 Marken in mehr als 120 Branchen vom Waschmittel bis zum Auto und gleicht diese Markenaffinitäten mit der Nutzungsmotivation oder der Akzeptanz von Werbung in hunderten verschiedenen klassischen sowie digitalen Medien ab.

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Datenspiele

Nachdem diese Daten mit der Abo-Datenbank von Hörzu oder TV Digital verknüpft worden sind und ermittelt wurde, wie viele der Abonnenten in die ersehnte Gruppe fallen, erhält der Kunde ein entsprechendes Angebot. Dann können Werber etwa Beilagen, Beihefter oder auch individualisierte Doppel-Cover nur für jene Abonnenten buchen, die im gewünschten Raster liegen und belegen nicht die gesamte Auflage. Die Zielsicherheit bei der Belegung einer Teilauflage ist durch das intensive Data Mining gewährleistet: „Aus dem Abgleich der verschiedenen Datenquellen können wir dem Kunden einen Empfängerkreis vorschlagen, bei dem wir davon ausgehen können, dass er die größte Affinität zur Zielgruppe hat“, erklärt Matthias Franzen, Gesamtanzeigenleiter für Programmzeitschriften bei Media Impact das Verfahren.  Der Autohersteller Seat etwa hat zur Präsentation seines Seat Leon XPERIENCE in TV Digital lediglich 380.000 Abonnenten mit einem speziellen Cover beschicken lassen. Es sollten allesamt Menschen im Alter zwischen 30 und 59 Jahren sein, die, so das grobe Psychogramm „offen für neue Chancen und Herausforderungen“ sind.

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Matthias Franzen, Media Impact. Photo: Katharina Schiffl

Eis mit Doktor Schiwago

Der Kampagnenerfolg wird ganz wesentlich davon definiert und eingegrenzt, wie passgenau eine Werbebotschaft sowohl in den inhaltlichen Kontext des Mediums wie auch den situativen Kontext beim Leser passt. „Wenn beispielweise Langnese damit wirbt, Eis zu essen und dabei Doktor Schiwago im TV zu sehen, dann baue ich eine mentale Brücke zwischen dem Medium, also unseren TV-Zeitschriften, und der Werbung.“, sagt Franzen und verortet das als Schwäche gewöhnlicher Postwurfsendungen: „Mit einer Postwurfsendung, die anlasslos im Briefkasten landet, kann ich das nicht machen. Natürlich kann auch die Post auch Targeting betreiben. Aber das unterscheidet eben die Postwurfsendung von einem abonnierten Magazin: unser Produkt will der Leser und wird es nicht so schnell wegwerfen. Schließlich hat er dafür bezahlt.“  Die Upside für den Vermarkter: er kann rund 30 Prozent mehr für eine solche Sonderwerbeform erlösen als mit herkömmlichen Werbemitteln.

Rund fünf Kampagnen pro Jahr setzt der Vermarkter um: „Print Targeting funktioniert auch deshalb so gut, weil es meist einmalige, punktuell sinn – und wirkungsvolle Aktionen sind. Das kann ich mit Programmatic Advertising ja gar nicht vergleichen“, so Franzen.

 

„Print Targeting funktioniert auch deshalb so gut, weil es meist einmalige, punktuell sinn – und wirkungsvolle Aktionen sind.
Matthias Franzen
Media Impact