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Erkenntnisse
31 . 10 . 19

Größer als Facebook und Google?

Worte von: Print Power
Springer, Funke, RTL und Gruner + Jahr wollen in Zukunft einen Teil ihres Werbeinventars gemeinsam vermarkten. Die Ad Alliance als neuer Vermarktungsriese beginnt vor allem mit digitaler Werbung. Aber kann eine solche Allianz auch etwas für Print bringen? Experten sind sich da uneins.
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Auf einen Blick

  • Die größten deutschen Medienhäuser bilden eine Allianz zum Verkauf des eigenen Werbe-Inventars
  • Die Ad Alliance konzentriert sich vorerst auf das Digitale, aber auch Printtitel werden vermarktet.
  • Allianzen könnten das Gattungsmarketing für Print erleichtern
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Matthias Dang Geschäftsführer von Ad Alliance

Das Geheimnis wird streng gehütet. Sehr streng sogar. Seit Springer und Funke bekanntgaben, der Ad Alliance, einer Vermarktungsorganisation von RTL und Gruner + Jahr beizutreten, kommen Informationen über das tatsächliche Ausmaß der geplanten Kooperation nur schleppend an die Öffentlichkeit.

Das mag auch daran liegen, dass die bevorstehende Elefantenverlobung schon rein technisch ziemlich diffizil ist und sich kaum dazu eignet, mit kurzen knackigen Slogans erklärt zu werden. Denn einerseits haben Springer und Funke eine eigene Vermarktungsorganisation, die sowohl Print- als auch Online-Werbung verkauft. Sie nennt sich Media Impact. Andererseits verfügen RTL und Gruner + Jahr, mit der Ad Alliance ebenfalls über ein solches Konstrukt. Besonders im Online-Bereich wollen Ad Alliance und Media Impact nun ihre Kräfte bündeln und gemeinsam auftreten, wobei Media Impact aber dennoch teilweise auch selbständig verkaufen möchte.

Größer als das Silicon Valley

So verwirrend das Prozedere im Einzelnen auch ist, so klar sind die Hintergründe für den Zusammenschluss. Mit ihrem Konglomerat wollen Ad Alliance und Media Impact ein Gegengewicht zu Google und Facebook schaffen. Weltweit saugt das Duopol bereits jeden vierten Werbedollar ab und auch in Deutschland vermiesen die US-Giganten heimischen Anbietern das Geschäft.

Die Idee, mit einer Kooperation mehrerer Medienhäuser dagegen zu halten, sei daher nur logisch, erklärt Hanno Beck, Medienökonom und Professor an der Hochschule Pforzheim: „Je mehr Käufer und Verkäufer sich auf einer Plattform finden, desto mehr weitere Käufer und Verkäufer werden angelockt. So betrachtet ist es richtig, sich zusammenzuschließen, um eine kritische Masse zu erzeugen, ab der man praktisch wie von selbst wächst.“

So groß ist die Ad Alliance nun auch wieder nicht – jedenfalls im Vergleich mit Google oder Facebook:  Global betrachtet fällt allein der Umsatz von Facebook mindestens fünf Mal so groß aus wie jener aller unter dem Dach von Media Impact und Ad Alliance versammelten Titel, jener von Google gar zehn Mal so groß.

Matthias Dang, Geschäftsführer von Ad Alliance, berühren solche Vergleiche wenig. „Die Umsätze von Ad Alliance in Deutschland mit den weltweiten Umsätzen von Google und Facebook zu vergleichen, ergibt keinen Sinn“, sagt er. „Wir sind in Deutschland größer als beide – sowohl im Umsatz als auch in der Reichweite.“

Brand Safety

Zumindest bei der als Benchmark beliebten Zahl der Unique Visitors liegt Dangs Konglomerat allerdings klar hinten. Auf rund 90 Millionen Unique Visitors monatlich kommen in Deutschland Ad Alliance und Media Impact zusammen, auf rund 110 Millionen Google und Facebook.

Über pure Größe wolle man die US-Riesen aber auch nicht schlagen, sagt Dang. Der Schlüssel zum Erfolg sei der Inhalt – Inhalt, der oft von den großen Print-Stories kommt. Denn während sowohl  Facebook als auch Google keinen eigenen Content bieten und auch keine Selektion des Contents nach Qualitätskriterien vornehmen, sei das bei den Medien der neuen Werbeallianz stets der Fall. Es gelte überall das Chefredakteursprinzip auf jeder einzelnen Plattform gebe es einen Letztverantwortlichen, der über die Qualität Inhalte wacht: „Das macht es uns auch so leicht, hundert Prozent Brand Safety zu garantieren“, erklärt Dang und verweist darauf, dass sich die Kunden von Ad Alliance und Media Impact keinerlei Sorgen darüber machen müssen, ihre Marke plötzlich in einem Umfeld präsentiert zu finden, das sie nicht wünschen.

Gattungsmarketing für Print

Geht es um Umfeld, Inhalt und Glaubwürdigkeit haben Printprodukte allerdings erwiesenermaßen ein besseres Standing als Online-Angebote. Der Gedanke, nicht nur Ads, sondern auch Printwerbung gemeinsam zu vermarkten, erscheint vermeintlich naheliegend. „Wir beginnen jetzt mit Digital, alles Weitere wird sich zeigen“, sagt die Springer-Vorständin Stephanie Caspar recht ausweichend. Mag die Konzentration der Ad Alliance auf Digital liegen – schließlich hat man da einen mächtigen Gegner zu bekämpfen – so listet die Allianz auf ihrer Website dennoch bereits mehrere Dutzend Printtitel samt Anzeigenpreisen auf. Auch die Printtitel des Hamburger „Spiegel“-Verlags, eines weiteren Allianzpartners, sind da dabei.

Immerhin, so meint der Düsseldorfer Mediaplaner Thomas Koch, hat eine Allianz, die sich auch mit dem Printsektor beschäftigt, einen großen Vorteil: „Man kann als große Allianz bei Mediaagenturen besser Gattungsmarketing für Print betreiben. Denn als Vermarkter muss ich bei Mediaagenturen natürlich auch darum kämpfen, Zeit zu bekommen, um Printlösungen vorzustellen. Dazu haben viele der Mediaagenturen einfach kaum mehr Zeit, weil sie sich so sehr ums Digitale kümmern.“ Als großer Vermarkter mit Dutzenden Titeln im Gepäck könne man jedenfalls die Relevanz von Print unterstreichen und Mediaagenturen überzeugen, sich auch damit wieder zu beschäftigen. Der Erfolg von Print sei schließlich eine Frage der „Qualität der Argumente“, so Koch.

Doch solche Allianzen könnten je nach Konstruktion langfristig gerade im Print-Bereich auch zu einer Entwicklung führen, die Mediaplanung vielleicht weniger zielgenau macht – und das sieht Koch durchaus kritisch: „Wenn es ohnehin nur ein oder zwei Großpakete gibt, die der Kunde buchen kann, braucht er keinen Medienplaner, der ihm exakt den Mix an Medien zusammenstellt, der für seinen Zweck am wirksamsten ist. Das trifft auf Print ganz besonders zu, denn Printtitel sind ja sehr diversifiziert, jeder Printtitel hat ja eine ganz spezifische Gruppe. Umso mehr muss ich den Mix für jede einzelne Kampagne extra zusammenstellen und nicht ein Kombi-Angebot nehmen, in dem immer auch Titel dabei sind, die ich garantiert nicht brauchen kann.“ Sein Fazit: „Dass Anzeigen an den Agenturen vorbei direkt gekauft werden, ist ein Trend, der immer stärker wird. Allianzen begünstigen diese Entwicklung, zugleich verhindern sie aber damit eine zielgruppensichere Werbung.“

Ein Vertrauenstransfer für Print?

Dass Mediaplaner wegen solcher Mega-Konstruktionen wie der Ad Alliance überflüssig würden, hält Boris Schramm, Managing Director der groupm, indes für weniger wahrscheinlich. Vielmehr sieht er die regulierende Rolle von Media-Agenturen aufgewertet: „Es wird ja noch immer Leute geben müssen, die den Kunden erklären, wie einzelne Kanäle funktionieren, wie man sie nützt, geschweige davon, dass irgend jemand  die Kampagnen ja auch entwickeln muss. Ein Kunde, der direkt bei Vermarktungszusammenschlüssen wie der Ad Alliance bucht, liefert sich in Wirklichkeit völlig schutzlos dem Markt aus. Und das wollen nur die wenigsten.“ Gleichzeitig hofft Schramm, dass die Ad Alliance einen Vertrauenstransfer in Print begünstigen und anstoßen könnte: „Die große Chance der Ad Alliance ist, dass die Branche dann die Möglichkeit hat, konsolidiert strategisch zu handeln und zu investieren, etwa in Forschung, die den Wirkungsnachweis von Printkampagnen erbringt. Denn ein solcher Nachweis lässt sich erbringen, ist allerdings ziemlich teuer. Wenn sich mehrere Partner den Aufwand teilen können, kann man das eher tun“.

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Christian Gaffal, Deputy Managing Director Media Investment & Auditing bei Havas Media

Eine Aufwandsreduktion und wohl auch Rabatt-Optionen erwartet Christian Gaffal, Deputy Managing Director Media Investment & Auditing bei Havas Media, von dem Ad-Zusammenschluss: „Aus Buyer-Sicht bringt die Ad Alliance erstmal einen Effizienzgewinn. Früher musste ich unter Umständen mit fünf oder sechs Leuten verhandeln – heute spreche ich nur noch mit einer Person. Das ist ein Quantensprung. Und aktuell sind durch die Budgetallokation Rabatte für unsere Kunden möglich, die bei Einzelverhandlungen kaum realisierbar wären.“ Dass Systeme wie eine Ad Alliance indes die Flexibilität beschränken würden, diese Angst treibt Gaffal nicht um: „Unseren Kunden fällt es leichter, ein AdAlliance-Commitment einzugehen, weil sie Zugriff auf ein sehr breites Medien- und Gattungsportfolio haben. Die Kunden schränken sich somit bei Strategieänderungen weniger ein“.

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Sebastian Denecke, Director Audience Strategy bei Havas

Sebastian Denecke, Director Audience Strategy bei Havas, ortet allerdings auch Gefahrenpotenzial bei Vermarktungsarchitekturen wie der Ad Alliance: „Das Oligopolrisiko, das in so einem Vermarkterzusammenschluss liegt, ist sehr real. Da muss man die Entwicklung abwarten und genau beobachten. Wir sind natürlich in hohem Maße an den qualitativen Effekten interessiert, die sich aus solchen Zusammenschlüssen ergeben können. Eine der Effizienz geschuldete, signifikante Reduzierung der Publikationen könnte mittelfristig ein solcher Effekt sein. Dies gilt es aus unserer Sicht unbedingt zu vermeiden. Eine große Vielfalt an Publikationen ist essentiell, um die sehr unterschiedlichen Ansprüche unserer Kunden bedienen zu können.“

Vielleicht sind ja solche Systembrüche, wie sie auch die Ad Alliance austestet, erst der Beginn einer organisatorischen Entflechtung von Redaktion und Media-Verkauf, wie Crossmedia-Chef Martin Albrecht kürzlich bei einem Print Power-Roundtablemeinte: „Ich halte es nicht länger für zwingend, dass die Angebote für Leser und die Angebote für den Werbemarkt aus derselben Hand kommen müssen. Das ist ein Anachronismus, eine gewachsene Struktur aus der Vergangenheit der Verlage, die heute zur Disposition steht.“ Wie rasch der Anachronismus aufgelöst wird – die Ad Alliance wird es wohl zeigen.