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16 . 10 . 19

Diese Werbung geht nicht verloren

Worte von: Print Power
Der persönlich adressierte, gedruckte Werbebrief wird in Zeiten des digitalen Overloads zu einem von vielen Unternehmen geschätzten und von anderen unterschätzten Garanten für Aufmerksamkeit. Besonders für High Involvement-Produkte.
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Auf einen Blick

  • 500.000 Unternehmen in Deutschland nutzen persönlich adressiertes physisches Direct Mailing
  • Volladressierte Direct Mailings garantiert hohe Kundenaufmerksamkeit: 67 Prozent der verschickten Werbebriefe werden auch tatsächlich gelesen.
  • Bei jungen Adressaten kommen personalisierte Werbebriefe erstaunlicher Weise besonders gut an und erzeugen lange Verweilzeiten.

Post, die man per Hand statt per Handy und Touchscreen öffnet, fällt gerade im digitalen Zeitalter auf. Das führt zu einer unerwarteten Renaissance des persönlich adressierten, gedruckten Mailings. Vielleicht ist es auch bloß die Suche der Werber nach Alternativen zum digitalen Overload, der bei digitalen Mailings zu einem Wirkungstief geführt hat. Martin Jacobi, Geschäftsführer der deutschen Egro Direktwerbung, benennt den Grund für die Wahl der analogen Alternative ganz klar: „Weil sich viele Erwartungen, die in Online-Mailings gesetzt wurden, nicht erfüllt haben“.

Es sind vor allem hohe Abbruchraten, die die Grenzen des Online-Kanals im Dialog mit dem Kunden aufzeigen. Und sie sind ausgerechnet dort am höchsten, wo sich Onliner lange Zeit am sichersten fühlten: bei den Digital Natives. Zahlen, die  das österreichische Institut Marketagent.com erhoben hat, zeigen, dass gerade Nutzer zwischen 14 und 19 Jahren Online-Mailings kaum noch wahrnehmen. 35 Prozent jener Newsletter, die sie zugeschickt bekommen, wandern sofort in den digitalen Mistkübel. Bei persönlich adressierten gedruckten Mailings liegt der Anteil der sofortigen Entsorgung im Papierkorb hingegen bei gerade einmal acht Prozent.

Ähnlich vielsagend zeigt sich der Vergleich der Verweilzeiten: 67 Prozent der Empfänger von gedruckten adressierten Direct Mailings nehmen sich zwischen zwei und zehn Minuten Zeit, um deren Inhalt zu studieren. Bei weiteren zehn Prozent fällt die Lesezeit noch länger aus. Mails erhalten nur einen Bruchteil dieser Aufmerksamkeit: Wird eine elektronische Werbemail überhaupt geöffnet, beschäftigt sich rund die Hälfte der User maximal eine halbe Minute damit.

Ideal bei High Involvement-Produkten

„Viele Konsumenten sehen  sich einem Overload an elektronischer Post gegenüber“, erklärt Jochen Spöhrer, Managing Director bei der Werbeagentur DDB in Hamburg das Phänomen. Er räumt zwar ein, dass im klassischen Medienmix der großen Agenturen physische Direct Mailings nicht ganz oben auf der Trendliste steht, meint zugleich aber auch: „In manchen Situationen kann ein gedruckter, persönlich adressierter Brief für mehr Aufmerksamkeit sorgen als ein E-Mail-Newsletter.“ Weshalb seine Agentur Kunden für spezielle Ziele auch diese Werbeform empfiehlt: „Gedruckte Direct Mailings können vor allem dann verwendet werden, wenn es darum geht, Aufmerksamkeit für hochwertige Produkte zu generieren. Wobei hochwertig nicht nur den Preis meint, sondern High-Involvement-Produkte; Produkte, wo die Kaufentscheidung nicht spontan fällt, sondern über einen längeren Zeitraum erfolgt.“

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Anton Jenzer
Geschäftsführer der VSG Direktwerbung und Präsident des Dialog Marketing Verbands Österreich

Loyal und nicht egal

500.000 Unternehmen in Deutschland nutzen adressierte physische Direct Mailings. Die Zahl bleibt, wie aus dem Dialogmarketing-Monitor der Deutschen Post ersichtlich ist, seit Jahren mehr oder minder konstant. Für den Handel bilden solche Sendungen mit 28 Prozent der Aufwendungen sogar die am häufigsten verwendete Dialog-Werbeform. Der Handel ist es auch, der laut Monitor mit Abstand am meisten für diese Dialogmarketing-Variante ausgibt: durchschnittlich 25.000 Euro pro Unternehmen und Jahr – gefolgt von Dienstleistungsunternehmen, die immerhin noch 7.700 Euro pro Jahr für adressierte Post aufwenden. „Ein Bereich, in dem diese Werbeform sehr stark genutzt wird, sind Aktivitäten zur Stammkundenbindung. Loyalty einer Marke gegenüber lässt sich mit Online-Mitteln allein nicht aufbauen“, betont Anton Jenzer, Geschäftsführer der VSG Direktwerbung und Präsident des Dialog Marketing Verbands Österreich.

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Michael te Neues
Vorsitzender des Kompetenz-Centers DirectMail Services beim Deutschen Dialogmarketing Verband DDV

Länger als eine Woche auf dem Tisch

Zahlen aus Deutschland belegen diese Einschätzung:  Für die Betreuung von Bestandkunden bleibt über alle Werbeformen hinweg der persönlich adressierte Brief das wichtigste Medium. 26 Prozent der befragten Unternehmen geben an, darauf keinesfalls verzichten zu können.

Als klassisches Printprodukt spielt der Werbebrief dabei eine seiner großen Stärke voll aus: Er wirkt wertig und ist dadurch auch viel weniger flüchtig. Während Mails nur selten aufgehoben oder weitergegeben werden, ist das bei gedruckten Direct Mailings durchaus häufig der Fall. Zahlen, die Marketagent.com heuer im Auftrag der Österreichischen Post erhoben hat, zeigen, dass ein Zehntel der Empfänger die Mailings sogar länger als eine Woche aufbewahren.

Das liegt wohl auch an der grundsätzlichen Glaubwürdigkeit von Print: „Ein persönlicher Brief, vielleicht auf dickerem Papier mit einer Unterschrift, wirkt glaubwürdiger als eine Massenmail. Kaum jemand lässt sich aufgrund einer Massenmail zu irgendeiner größeren Investition oder Geldanlage bewegen“, urteilt Michael te Neues, Vorsitzender des Kompetenz-Centers DirectMail Services beim Deutschen Dialogmarketing Verband DDV. Die Zahlen von Marketagent.com bestätigen diese Einschätzung: Jede dritte personalisierte Sendung wird als glaubwürdig eingestuft. Eine Zahl, die auch erklärt, warum Fund Raising von NGOs sehr häufig gerade über diese Werbeform betrieben wird.

Porto-Erhöhungen als Faktor der Ungewissheit

Sechs Milliarden Euro Marktvolumen und einen stabil bleibenden Marktanteil haben adressierte Direct Mailings in Deutschland aktuell aufzuweisen. Bei kleinen Unternehmen steigen derzeit sogar die Aufwendungen für diese Werbeform leicht. Was allerdings offen bleibt, ist die Frage, wie der Markt auf die jüngsten Preiserhöhungen der Deutschen Post reagieren wird. Von einer möglichen Verschiebung zu anderen Werbeformen spricht in diesem Zusammenhang Martin Jacobi von Egro, nicht aber von einer Abwanderung Richtung online: „Wir werden sehen, ob es Verlagerungen gibt, etwa zu Verlagsbeilagen oder zu nicht adressierten Mailings.“